Es wird einsamer in Ungarn
HOLZWEG
5/21/20184 min read


Nach einem deutlich offeneren Österreich, das ich zudem mit vielem Nass und einigen Steigungen in Erinnerung behalte befinde ich mich nun in Ungarn. Um ehrlich zu sein hat es mich hier nie wirklich hin gezogen. Ich habe es mir irgendwie grau vorgestellt mit zerfallenen Häusern, alten Dörfern und viel Landwirtschaft.
Und es ist genau so, mit der großen Ausnahme, dass sich hinter den grauen und ernsten Mienen die freundlichsten und zuvorkommendsten Charaktere verbergen. Ich fahre durch viel Einsamkeit. Kapitän Nemo und Professor Aronax begleiten mich im Ohr. Doch auch Sie übertönen die steigende Unruhe in mir nicht.
Der nahende Abend droht immer pochender. Muss ich heute im Zelt schlafen und damit die horrenden Strafen für Wildzelten hier riskieren? Soll ich Einheimische fragen in der Gefahr vielleicht aufgefressen zu werden? Mein Grundsatz "Läuft schon irgendwie" verliert sich in der drückenden Umgebung.
Am Ende wird eben nicht alles gut. Außer man findet alt und senil sein halt gut.
Glück ist immer eine Momentaufnahme. Aber vielleicht ist es diese Art Vertrauen von denen Prediger oft sprechen. Naja, und wenns scheiße war dann hat man wenigstens ne tolle Story...
"Wieso fährt man bei diesem Wetter Fahrrad. Und wieso hier?" müssen sich die Feierabendbierler gedacht haben als ich mit einem Sack über den Kopf die Bar betrete. Ich frage nach "Panzio". Man diskutiert und schließlich zeigt die Wirtin in eine Richtung. Na klasse, aus der bin ich gekommen und das einzige was ich in Erinnerung habe waren 20km nur Felder und ein verlassenes Haus mit kaputter Bierreklame. Mit einer Hoffnung, die sich anfühlt wie diese dass das heute der letzte Berg ist fahre ich trotzdem hin. Ein Gefühl der bitteren Bestätigung trifft mich als nach mehrmaligem drücken des Knopfes im Hinterhof noch immer nichts regte. Ich drehe um als doch ein Mann kommt, der meine Frage "Panzio?" mit einer einladenden Handbewegung bejaht.
Am nächsten Tage war ich schlauer und habe schon vorher im Internet eine Unterkunft gebucht. Blöderweise erzeugt dies den Druck eine bestimmte Strecke auch zu fahren. Es ist schon angenehmer einfach zu fahren und zu bleiben wo es gefällt. Naja, als ich dort ankomme ist niemand vor Ort. Auch auf Anrufe wurde nicht reagiert. Super... 100km runter heut, es ist schon dunkel und ich will einfach nur schlafen. Zwei ältere Damen sehen mich und versuchen mir zu helfen. Mit Händen und Füßen unterhalten verstehen sie nach einiger Zeit was mein Problem ist. Sie können es auch nicht lösen, da ich keinen Namen habe. Sie geben mir zu verstehen, dass er vermutlich in einer Bar ist. Ich gehe also dort hin. Zum Glück kann ein junger Student Englisch. Meine Situation war einfach erklärt. Es wird recht lange diskutiert. Dann fragt er mich "do you want to get rest now?" Ich verstehe schnell, dass wohl einer in der Runde mir Obdach anbietet und sage "well I can also drink a beer, I dont need to sleep right now". Die Runde war noch nicht alt und ich wollte nicht zur Last fallen. "You can sleep at Victors place. Come in the garden, we sit there with friends" sagte man mir. Im Garten waren dann ein paar jüngere, die trinken und feiern. Ich geselle mich dazu und habe einen tollen Abend bis spät in die Nacht. Es läuft schon irgendwie.
Flüchten?
Der nächste Tag auf dem Rad brachte nicht viel Neues. Felder, zerstörte Häuser, Wald. Ich bin sehr tief im Hinterland.Verträumt in Gedanken erspähe ich in der Ferne eine Gruppe von Menschen durch die Felder ziehen. Ich komme immer näher und erkenne an der Hautfarbe und den vielen Taschen.. Es sind Flüchtlinge.
Ich spüre das Leid und muss weinen. Wie viel sie wohl schon durchgemacht haben bis hier? Ich fühle mich schlecht. Lasse mir auf die Schulter klopfen für die "Leistung" und den "Mut" für meinen selbstbestimmten "Findungstrip" während andere vor größtem Leid und Unwillkommenheit davon laufen. Unterbrochen durch die Lichthupe und ein Zeichen ich solle umkehren bekomme ich Angst. Bin ich in einer schwierigen Gegend? Werde ich gleich überfallen? Ein Auto überholt mich. Ich beruhige mich als ich realisiere, dass man mich nur warnen wollte dass ein Auto kommt wo ich vor lauter Nass im Gesicht wohl nicht mehr ganz auf Linie war.
Oh weh, bin ich auch irgendwo konditioniert? Fremd ist halt anders, nicht mehr nicht weniger, nicht gut nicht schlecht. Unberechenbarer halt, einfach weil wir anders rechnen...
Ich habe gesagt ich mache hier keine politischen Statements. Dazu nur diese kurze Anekdote aus einem mitteleuropäischen Biergarten: "Wir haben nicht die Mittel noch mehr aufzunehmen" - sagte der Frührentner, legte seine Beine hoch und bestellte sich ein weiteres Weizen.
Status Quo halt...






















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